Ein von Be’cauer Handan erzähltes Märchen
Das Fyros Volk war seit jeher von dem Großen Drachen fasziniert, ein sagenhaftes Wesen reiner Zerstörungskraft. Diejenigen, die imstande sind seine Erscheinungsformen wahrzunehmen und es bekämpfen können, sind außergewöhnliche Wesen. Die Geschichte von einer dieser Personen ist mir auf meiner ersten Reise in die Brennende Wüste erzählt worden. Ich wurde herzlich von einem kleinen Stamm aufgenommen und am Abend, um ein Feuer herum, begann ein alter zahnloser Fyros ein Märchen zu erzählen. Uns wurden kleine Fleischstücke aufgetischt, welche scheinbar viel zu lange in der heißen Sonne der Wüste gestanden hatten; ich wagte sie nicht anzufassen, und um einen guten Eindruck zu hinterlassen, hörte ich aufmerksam zu und machte mir Notizen.
Lekos Daraan war noch ein Kind, als er das erste mal den Brandstifter erblickte. Eine Trockenheitswelle hatte sich über die Brennende Wüste gelegt. Eines Tages, an dem ihm seine Spiele der Beaufsichtigung seiner Eltern entkommen ließen, erfasste Lekos die Ausstrahlung einer mächtigen Energiequelle um ihn herum. Er befand sich zu jener Zeit östlich vom Flammenden Wald, in einem von seinem Stamm abgesicherten Bereich. Während er mit dem Herausfinden der Ursache seines Empfindens beschäftigt war, fingen die in seiner Umgebung befindlichen Bothayas in einer sonderbaren Weise zu glühen an und befreiten stufenweise den Brandstifter von der, ihn hindernden, Rinde. Bevor das Kind Zeit dafür hatte um die Gefahr zu bemerken und sich in Sicherheit zu bringen, erschienen schon die ersten Flämmchen eines Bothayas um ihn zu verfolgen. Eine drohende Fressgier schien die Flammen zu beleben, welche sobald auch an Intensität gewannen während ein beißener Geruch aus einem Rauchwirbel herausstieg und den fliehenden Fyrosjungen zu einem Keuchhusten veranlasste. Der Drachen brachte in seinem Schnaufen einen dunkelfarbigen Rauch hervor, was die Sicht des Kindes trübte und ihm schließlich die Orientierung nahm. Um ihn herum schien das Lodern der Pflanzen durch den Willen des Drachens getrieben zu sein, dessen Schritte auf der Rinde, in einem beängstigenden Krachen, dröhnte. Lekos’ Herz stand still als ihn ein überstürzt fliehender, von Brandwunden bedeckter, Zerx umrannte. Das Kind schaffte es nicht aufzustehen, es griff nach einem Zweig und schlug hilflos auf den Boden, den Großen Brandstifter mutig herausfordernd. Schweiß und Rauch machten ihn Blind, für einen Augenblick glaubte er, dass das Monster aus den Mythen anwesend war und vor ihm stand, bereit ihn zu verschlingen. Plötzlich erreichten ihn Schreie. Sein Stamm kämpfte tapfer gegen die Flammen. Die Homins hatten eine lange Schlange gebildet, von einer sich in der Nähe befindenden Zisterne startend. Wasser aus Eimern überschwemmte in regelmäßigem Rhythmus die Feuerstelle, die Gefahr mit feuchter Sägespäne eindämmend. Kräftige Hände ergriffen Lekos, mit einem Seufzer der Erleichterung hob ihn sein Vater auf und umschlang ihn. Seinen Sohn zum Lager zurückführend, erklärte er ihm: «Was du gesehen hast, dass darfst du niemals je vergessen! Erinnere dich daran, dass Wachsamkeit immer deine stärkste Waffe sein wird, weil sein Feuer niemals nachlassen wird. Es wird ein Tag kommen, wenn du deinerseits den Schlaf des Drachens überwachen wirst, heute hast du aber erfahren was es heißt ein Wächter zu sein. »
Meine Augen von meinen Notizen hebend, kreuzte ich den schalkhaften Blick des alten Fyros. Ich war gerade dabei ihn zu befragen, als ich von zwei Kindern unterbrochen wurde, die vor mir saßen, um der Geschichte zuzuhören. Das erste schrie laut aus: «Rooaar! Ich bin der Brandstifter! Ich werde dich fressen!», was das Gelächter seines Kumpels verursachte, welcher ihm sobald im selben Tonfall antwortete: «Du machst mir keine Angst! Zuerst mal habe ich die Kräfte des Wächters!» Die beiden Kinder mimten dann eine eindrucksvolle Schlacht, sich um das Feuer herum verfolgend.
Und ihr habt zweifellos erraten, dass das, was kommen musste, geschah. Eines der beiden Kinder verbrannte sich an einem glühenden, unglücklicher Weise aus dem Feuer herausragenden, Zweig. Sogleich nahm ich die notwendigen Pflegemittel aus meinem Beutel, um es zu verbinden. Das Kind widmete mir ein verschmitztes Grinsen und sprach mich auf Fyrk an: «akep, atalmalos»*. Ohne seine neckische Mine aufzugeben, erhob sich mein Erzählerfreund, seine Glieder sorgfältig ausstreckend, und verabschiedete seine jungen Zuhörer mit dem Ruf: «Nun los! Zurück zum Spielen, aber vergesst nicht: man spielt nicht mit dem Feuer!»
Danke, Onkelchen
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