Aus EnzyklopAtys
Psychée
von Meister Mogwaï veröffentlicht im Neuen Blatt von Atys am Quarta, Folially 16, 3. CA 2525.[1]
Auszüge aus dem Jugendtagebuch von Psychea, einem Brief, der auf unbestimmte Zeit auf Reisen war und nicht wußte, wie lange es dauerte, bis er an einem sicheren Ort ankam. Sein erbärmlicher Zustand lässt vermuten, dass er eine lange Reise hinter sich hat...
Sie sind weit weg... Weit weg... Ich weiß, dass es Sie gibt, irgendwo auf dem Zorai-Kontinent. Er hat es mir erzählt. Er hat mir erzählt, wer Sie sind und was Sie tun. Nach seinen Erzählungen sehe ich manchmal in meinen Träumen Ihr Haus, Ihre Festung inmitten des Dschungels, die ich in meinem Leben noch nie gesehen habe. Genau so, wie er sie mir erzählt hat. Dorthin muß ich gehen, dorthin, auch wenn es keine Antwort für mich gibt. Dort wird es zumindest ein Ziel geben und die Rechtfertigung für alles, was ich zu tun versuche, um zu kämpfen. Ich weiß nicht, ob er dort sein wird ... Ich hoffe, ich hoffe, daß er das kleine Mädchen nicht vergessen hat, das er bewundert hat, in den so kurzen Wochen, in denen er im Dorf geblieben ist ... ich sollte sagen, zu Hause ... aber es ist nicht mein Zuhause.
Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis dieser Brief bei Ihnen ankommt... Und ob Sie ihn überhaupt erhalten werden.
Die Karavan hat mir versichert, daß er ankommen wird.
Aber es fällt mir so schwer, daran zu glauben.
Aber wenn Sie sie erhalten, sagen Sie ihr, dass ich kommen werde. Auch wenn es Jahre dauern sollte.
Mein Name ist Psychée, ein Name, der bei keinem Matis bekannt ist, und das aus gutem Grund: Ich habe keinen Namen.
Das Schlimmste, was es für einen Matis geben kann.
Aber ich habe gelernt, damit zu leben, und bin stolz auf den Namen, den man für mich gefunden hat. Oder zumindest meinen Stolz. Denn ich habe schon vor langer Zeit die Idee aufgegeben, wie mein Volk zu sein. Ich kenne meine Andersartigkeit nicht, aber sie existiert und ich versuche, sie zu akzeptieren.
Bei den Kamis, ich hasse es, so zu reden...
Selbst ich vergesse, wie alle anderen, daß ich kaum älter als eine Knospe bin. Noch in dem Alter, in dem man Mädchen und nicht Frau sagt.
Aber ich glaube, es ist zu spät, um noch ein bisschen ein Mädchen zu bleiben ... es war von Anfang an zu spät ...
Es gibt fast... fast, keine Gefahr auf den Inseln der Zuflucht. Das sagen die Führer der Matis den Flüchtlingen oft. Aber es war dies Fast, das meine Eltern, meine gesamte Familie, eigentlich eine ganze Gruppe, von der ich die einzige Überlebende bin, getötet hat.
Es waren Kitins.
Natürlich...
Nur daß sie in ihrem Blutbad ein kleines Mädchen vergessen haben, nicht alt genug, um gelebt zu haben, gerade groß genug, um sich an das verschwundene Gesicht ihres Vaters zu erinnern und für immer darunter zu leiden.
Als sie kamen, war nur noch ich am Leben, ich weinte, in den Armen meiner Mutter, die nicht mehr aufstehen würde. Und sie haben mich mitgenommen.
Ich wurde im Asyl erzogen. Ich wurde von keiner Familie adoptiert. Es gab ein Stygmat, die Angst, die alle Homins vor dem Gedanken zurückschrecken ließ, daß ich von den Monstern "verschont" worden sein könnte. Und daß ich gezeichnet wurde. Ich verbrachte, ich weiß nicht genau wie lange, ohne Familie unter den Waisenkindern. Während des Unterrichts, den uns unsere Lehrer erteilten, begann man mich Psychee zu nennen.
Weil die Magie mich liebt...
Und weil ich sie im Gegenzug liebte.
Schon bald ersetzte Psychee meinen Namen und schon lange habe ich meinen Namen wieder in meinem Herzen vergraben.
Natürlich hat dieser Name nie geholfen. Ich war das gebrandmarkte, stygmatisierte Mädchen, das die Kitins ohne Grund verschont hatten und das die Magie gehorchen ließ. Und im Gegensatz zu allen anderen Matis verweigerte ich den Stolz, floh vor Duellen, wich Konflikten und albernen Mutproben aus.
Das Einzige, was mich faszinierte, war dieser Reisende aus den Weiten des Zoraï-Landes, der hinter seiner Maske so geheimnisvoll blieb und der mein einziger, mein einziger Freund wurde, inmitten von Matis, die mir fremd blieben.
Er füllte mich mit Märchen, Heldentaten, Weisheit, Klatsch und Magie... Und er ging eines Tages im Morgengrauen fort, ohne daß ich je erfahren hätte, warum er nicht gekommen war, um sich von mir zu verabschieden.
Mir blieb die Hoffnung, ihn irgendwo dort draußen zu finden... Ich lernte die Magie, verführte und zähmte sie dafür. Ich habe gelernt, Rohstoffvorkommen zu finden, um mich auszurüsten und meine zukünftige Reise zu bezahlen. Ich bin fast am Ende meiner Reise, bald am Ende des Weges...
Vielleicht bin ich schon tot oder noch am Leben und auf dem Weg, wenn Sie dies lesen. Aber ich will ihn finden... und endlich einen Sinn in meinem Leben finden...
(Anmerkung des Übersetzers: Siehe hierzu auch die Seite der Homina Psychee.)
- ↑ Quarta, Folially 16, 3. CA 2525 ist Freitag, der 5. November 2004.
In der gleichen Rubrik erschienen damals:
- Sylve, Geburt einer Kriegerin
- Caylis Amnell
- Die Geschichte von Melowen von Avendale
- Der Kami der Seen