KamiderverlorenenSeelen02

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Der Kami der verlorenen Seelen – Teil 2

Lipsen Be’Laury hatte sich im Zelt versteckt und ließ die Gruppe der Recycler nicht aus den Augen. Die Nacht war dunkel, doch die großen Schatten der Zorai waren am Feuer ihres Lagerfeuers gut auszumachen. Ihr Stimmen drangen bis zu der jungen Trykerin vor. Sie sprachen die allgemeine Hominsprache, wie alle Stämme, die im Nexus lebten.

  • … erwartet einen neuen Angriff der Kuilde. Deshalb ist Liangi Do-Vi heute Morgen zum Lager der Gemeinschaft des Ewigen Baumes aufgebrochen. Er wird morgen zurück sein. Er will mit ihren Kriegsherren verhandeln, um eine Allianz gegen die Anhänger der Karavan zu bilden. Wenn diese Verrückten es wagen, sich zu zeigen, werden unsere Stämme sie wie Insektenlarven zertrampeln!
    Die Zorai lachten sarkastisch. Lipsen umklammerte ihr Boomer-Gewehr und zog die Nase hoch. Wären diese Missetäter nicht so zahlreich, hätte sie ihnen eine kräftige Lektion erteilt!
  • Ich habe gehört, ein Großer Anhänger der Kamis würde an der Zeremonie von Fallenor Teil nehmen. Es werden ja nicht jeden Tag Reliquien der Kuilde geopfert! Ma-Duk wird zufrieden sein. Sei er gütig zu uns!
  • Gepriesen sei der Große Schöpfer und verdammt der Name Jenas, der Herrscherin der Nacht!
    Die Recycler klopften sich auf die Brust und sangen ein Kriegslied, während sie einen Spieß auf das Feuer legten. Sie grillten ein Viertel Arma-Fleisch und teilten sich das Stück, nachdem sie den Kami für diese Mahlzeit gedankt hatten. Ein Flachmann machte die Runde.

Lipsens Magen knurrte. Der getrocknete Fisch hatte ihren Hunger nicht gestillt.

  • Wir werden unsere Mahlzeit mit ein paar Wildbeeren abschließen, schlug ein Zorai mit kurzem Haar vor. Es gibt welche hier in der Nähe.
  • Gute Idee, Fa. Pass auf, dass du keine schlechten Begegnungen machst, so wie letztes Mal. Wir dachten ja schon, der empfindliche Gnoof würde dich deines besten Stückes berauben! Welch eine Tragödie für die Familie Gai-Guan und ihre zukünftigen Erben!
    Die anderen Recycler krümmten sich vor Lachen. Der Homin stand Schultern zuckend auf und sah sich um. Er entfernte sich vom Feuer, eine Schüssel in der Hand. Er blieb in der Nähe von Lipsens Zelt stehen und schaute sich die Hecken an. Die junge Trykerin ließ den Vorhang fallen und blieb still stehen, die Ohren gespitzt. Sie spürte, wie das Sap ihr ins Gesicht stieg und versuchte, sich zu beruhigen. Stell dir vor, du seiest einer Beute auf der Spur, redete sie sich zu. Du bist an solche Situationen gewöhnt, keine Panik!
    Nach einem scheinbar unendlichen Augenblick schienen die Schritte des Recyclers sich zu entfernen. Alles wird gut, dachte Lipsen. Das Glück ist immer auf der Seite der Tryker!
    Doch das Schicksal wollte es anders.
    Lipsen spürte ein unüberkommbares Kribbeln in der Nase. Sie hatte das Gefühl, mit der Nase in einem Heuhaufen zu stecken! Sie konnte sich nicht zurück halten und musste niesen. Zu dumm! Der Zorai blieb stehen. Er kam zurück und blieb vor dem Zelt stehen. Lipsen verdammte sich für ihre Ungeschicktheit. Musste sie wegen einer Grippe sterben? Das war nicht gerade heldenhaft!
    Der Recycler machte seinen Kameraden Zeichen. Zwei davon standen auf und kamen näher, Tchai-Pistolen in der Hand.

Lipsen dachte angestrengt nach. Das Bild des Fleischspießes über dem Feuer, der getrocknete Fisch, die Gebete an die Kamis, die Zorais mit ihren Angst einflößenden Masken – es schwirrte alles in ihrem Kopf. Wie sollte sie nur da wieder raus kommen? Eine alte Legende ihres Volkes fiel ihr plötzlich wieder ein. Die Geschichte des jungen Weaksy, dem ersten Tryker der einem Kami begegnet war …
Ohne länger nachzudenken, schluckte Lipsen ein Mal und gab einen ächzenden Laut von sich.
Sie sprach ein paar Worte mit einer verstellten Stimme.
* Kami, Hunger!
Die Zorai blieben überrascht stehen. Sie wechselten einen erstaunten Blick.
* Kami, Hunger! rief Lipsen erneut, etwas sicherer. Homins, schwer von Begriff ihr seid. Wilde Beeren mir bringen!
Der Recycler mit der Schüssel in der Hand ging auf eine Hecke zu und pflückte schnell eine Hand voll Rotbeeren. Die anderen Zorai zögerten. Dann ergriff einer von ihnen die Initiative.
* Oh, geehrter Kami, welche Art Geist bist du? fragte er vorsichtig.
* Den Kami der verlorenen Seelen ihr könnt mich nennen. An diesem Ort schlimme Dinge sind passiert. Verlorene Seelen irren umher. Habt ihr alles vergessen, Homins?
Lipsen hatte keine Ahnung, über was sie redete. Doch die Worte des angeblichen Kamis schienen Erinnerungen bei den Recyclern hervor zu rufen. Einige von ihnen deuteten ein heiliges Zeichen, um sich vor Unheil zu schützen.
Der Zorai war mit Pflücken fertig und kam zurück zum Zelt.
* Hier sind ein paar Beeren, oh Geist des Ma-Duk.
Die junge Trykerin dachte einen Augenblick nach. Sie erinnerte sich an Weaksys Legende und an ein anderes Zorai-Märchen, das von der Bekehrung des Dschungelvolks zu den trügerischen Lehren der Kamis erzählt.
* Diese Früchte der Natur, teilt sie euch, antwortete sie schließlich. Euer Glaube meinen Hunger stillen wird.
Diese Worte schienen die letzten Zweifel der Recycler zu verwischen. Sie knieten nieder und aßen die Beeren, während sie die Weisheit des Kami priesen. Lipsen dankte Jena. Ihre List schien aufzugehen. Jetzt musste sie die Zorais los werden, ehe sie zu neugierig wurden und den berühmten Geist sehen wollten.
* Diesen Ort ihr müsst verlassen jetzt. Hier nur betrübte Seelen können bleiben. Tod und Qual für Lebende. Geht! Geht!

Die Homins standen auf und sammelten ihre Sachen ruhig ein. Sie warfen einen letzten Blick auf das Zelt und seinen mysteriösen Bewohner. Es fing zu regnen an und die Tropfen zeichneten Tränen auf die weißen Masken dieser ausdruckslosen Gesichter.
Ein Blitzschlag erleuchtete das verlassene Lager. Als würden sie diesem Wutzeichen der Kami gehorchen, verschwanden die Recycler im Wald.

Lipsen seufzte erleichtert und fing an zu lachen. Es war ihr gelungen, die Feinde der Kuilde herein zu legen! Doch besser, sie verschwand von hier. Sie prustete noch immer vor Lachen, wenn sie an ihre List dachte. Sie zog schnell ihre Rüstung und ihren Jagdsack über und nahm ihren Boomer. Sie zog vorsichtig den Ledervorhang beiseite, der als Tür des Jurtenzeltes diente. Die Zorai schienen wirklich weg zu sein. Lipsen ging ins Unwetter hinaus. Sie schaute sich um und marschierte Richtung Norden davon. Sie musste Mithus Xalon über die mögliche Allianz zwischen seinen Feinden informieren.
Nachdem sie einen Hügel erklommen hatte, drehte sie sich noch Mal um, um das leere Lager zu begutachten.

Ihr Blick blieb auf dem Zelt unter dem Regen haften.
Lipsen lächelte erneut. Sie hatte eine neue Idee.

Fortsetzung folgt…