Die Geschichte handelt von einer kleinen Trykerin
Lange Zeit ist es her, da lebte im Seenland auf Atys eine kleine Trykerin.
Noch klein an Lebensjahren war sie für ihr Alter doch sehr ungestüm, neugierig und sehr wissbegierig; immer bestrebt danach, ihre Umgebung auszukundschaften.
Trotz aller Warnungen ihrer Eltern wagte sie sich immer wieder in jene weit entfernten Regionen des Landes, wofür sie noch viel zu unerfahren und viel zu wenig mächtig war.
Aber die Abenteuerlust in ihr war stärker und beherrschte sie völlig.
Sie wollte schliesslich mal gross und mächtig werden, reich an Erfahrungen und geübt in Geschicklichkeit und zu Hause konnte sie sich diese Fähigkeiten kaum aneignen.
Da kannte sie ja schon alles; für sie war es da eher schon langweilig.
Nein, nein, um mächtig zu werden musste sie schon in die äusseren Zonen des Landes hinaus und sie würde dabei gut aufpassen.
Auch an jenem Morgen, wie immer angetrieben von ihrer Neugier, war sie unterwegs und wollte nochmals durch das Tor in den äusseren Teil des Seenlandes gehen, das sie vor kurzem entdeckt hatte.
Ihr war klar, dass es da drüben gefährlich war, doch das letzte Mal ging ja alles gut, da kann man doch davon ausgehen, dass es auch dieses Mal gut gehen wird.
Sie würde schon entsprechend wachsam sein. Nach ein paar Stunden erreichte sie den Durchgang und ohne gross zu überlegen schlüpfte sie hindurch.
Vorsichtig schlich sie auf der anderen Seite aus dem Tunnel ins freie hinaus und spähte mit ihren Adleraugen vorsichtig die Umgebung ab.
Erleichtert stellte sie fest, dass nichts in der näheren Umgebung war, was ihr hätte gefährlich werden können und so schlich sie weiter ins Innere des Landesteils hinein.
Sie bewegte sich, wenn immer möglich, durch die Büsche, kroch hinter Dünen entlang; immer sorgsam bedacht darauf, in Deckung zu bleiben.
Ganz plötzlich vernahm sie ein lautes Brüllen; ganz in der Nähe. Sie erschrak und verharrte sofort in ihrer Bewegung.
Erleichtert stellte sie fest, dass dieser Lärm gar nicht ihr galt. Aber was war da los?
Kaum wahrnehmbar bewegte sie sich und schob vorsichtig die Äste ihrer Deckung beiseite. Sie erschrak erneut, als sie zwei riesige Varinxe entdeckte.
Die beiden hatten einen jungen Kincher gejagt und waren gerade dabei ihn zu töten. Er musste noch ganz klein sein, denn sonst hätten es die beiden Bestien ganz sicher nicht gewagt, ihn anzugreifen.
Die junge Jägerin konnte nichts tun, als an ihrem Ort zu verharren und zuzuschauen, bis die beiden Viecher endlich von ihrem leblosen Opfer abliessen und davon rannten.
Das Herz pochte ihr bis zum Hals hinauf.
Sie zitterte vor Aufregung und wollte sich schon wieder davonschleichen, als sie bemerkte, wie der kleine Kincher plötzlich zuckte.
Sie sah, dass er sich drehte und versuchte aufzustehen, doch seine Verletzungen waren zu gross; es blieb beim Versuch. Die kleine Trykerin drehte sich von ihm weg.
Soll der doofe Kincher doch selbst schauen, wie er zurechtkommt; sie jedenfalls musste hier so schnell wie möglich weg.
Aber nach einigen Schritten blieb sie wieder stehen.
Mit einem Male empfand sie Mitleid für das hilflose, kleine Krabbeltier.
Dann fasste sie sich ein Herz und eilte zurück. Sie sah, dass der kleine Kincher immer noch erfolglos versuchte auf die Beine zu kommen.
Und ohne weiter zu überlegen, ging sie zu ihm, hob ihn schnell hoch und rannte mit ihm zurück durch das Tor hindurch.
Sie wollte den Kleinen mit nach Hause nehmen und ihn da gesund pflegen.
Es war wohl keine Überraschung, dass die Eltern aus allen Wolken fielen.
Ihre Tochter kam ausgerechnet mit einem Jungtier jener Gattung an, die bei allen Bewohnern von ganz Atys als eines der gefährlichsten, widerstandsfähigsten, angriffslustigsten und tödlichsten Killerwesen galt.
Das Tier musste also sofort wieder verschwinden.
Doch das Flehen und Betteln ihrer kleinen Tochter hatte Erfolg, sie willigten schlussendlich doch ein, jedoch nur unter der Bedingung, dass das Tier wieder zurückgebracht wird, sowie es wieder völlig gesund war.
Die kleine Trykerin war überglücklich und begann sofort sich um ihren kleinen Patienten zu kümmern.
Sie fütterte ihn und verband seine Wunden so sorgfältig, dass es dem kleinen Kincher überraschend schnell wieder besser ging.
Die beiden gewöhnten sich rasch aneinander und schon bald wollte das junge Tier immer dabei sein, wenn die kleine Trykerin unterwegs war.
Zum grossen Schrecken der Nachbarn begleitete der kleine Kincher fortan die junge Kriegerin auf Schritt und Tritt, wann immer sie jeweils wieder das Land erkundete.
Und weil er ihr so treu hinterher krabbelte, nannte sie ihn spontan „Krabbler“. Von Tag zu Tag ging es dem kleinen Kincher besser und besser.
Nur auf der rechten Seite seines Stachels war als Erinnerung an die beiden Varinxe eine längliche Narbe zurückgeblieben.
Länger als vorgesehen durfte der Kincher bei der kleinen Trykerin bleiben.
Sie wussten, dass schon bald die wilden Instinkte in ihm erwachen mussten und dass das Jungtier sich dann in eine gefährliche und gefürchtete Bestie verwandeln würde.
Der Zeitpunkt war somit gekommen; die kleine Trykerin musste ihren Krabbler wieder in die Wildnis zurückbringen. Die Kleine war sehr traurig über den Entscheid ihrer Eltern, aber intuitiv wusste sie, dass sie Recht hatten.
So kam der Morgen, wo sich die kleine Trykerin wieder auf den Weg zu jenem Tor machte, hinter dem sie seinerzeit ihren kleinen Spielgefährten gefunden hatte.
Krabbler folgte ihr wie immer treu und ergeben, ahnungslos darüber, was ihn an jenem Tag erwarten sollte.
Gemeinsam erreichten sie das Tor, schlüpften hindurch und suchten vorsichtig jenen Ort auf, wo das schlimme Ereignis damals stattgefunden hatte.
Die kleine Trykerin spürte, wie der kleine Kincher nervös wurde; scheinbar erinnerte er sich noch. Der Ort behagte ihm ganz und gar nicht.
Am liebsten hätte sie ihn wieder mit nach Hause genommen, aber sie wusste selbst, dass dies nun nicht mehr möglich war.
Sie setzte sich hin und beruhigte ihren kleinen Freund.
Er setzte sich zu ihr und sie drückte ihn an sich.
Es brach ihr fast das Herz zu wissen, dass sie heute Abend ohne ihren kleinen Freund nach Hause zurückkehren würde.
Sie hatte plötzlich kein Zeitgefühl mehr, doch irgendwann erhob sie sich und rannte einfach los und wie gewohnt rannte ihr Krabbler sofort nach.
Damit er ihr aber nicht wieder folgen konnte, musste sie den nahen gelegenen See durchschwimmen; denn Kincher können allgemein nicht schwimmen.
Sie schaute nicht zurück, sprang einfach ins Wasser und schwamm drauf los. Sie hörte hinter sich Krabbler, wie er ihr nachbrüllte und stöhnte, fast wie ein Homin.
Sie konnte nicht zurückschauen. Mit Tränen in ihren Augen schwamm wie einfach weiter und versuchte, die Schreie ihres kleinen Freundes zu ignorieren.
Es war ihr, als würde ein Teil in ihr sterben.
Endlich zu Hause angekommen, verkroch sie sich in ihr Gemach und versteckte sich unter ihrer Bettdecke. Sie wollte einfach nichts mehr von der Welt wissen.
Jedoch die Zeit verging; die Jahre verstrichen.
Die mittlerweile erwachsene Trykerin hatte in den vergangenen Jahren fleissig gelernt und war eine stattliche Jägerin und mächtige Kriegerin geworden.
Sie hatte ebenfalls die Begegnung mit dem kleinen Kincher längst verarbeitet.
Trotzdem erinnerte sie sich immer wieder gerne an jene Zeit zurück, in welcher sie mit ihrem sechsbeinigen Freund unterwegs war und dabei so ziemlich alle Einwohner schockte.
Sie musste jedes Mal schmunzeln, wenn sie sich daran erinnerte.