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Version vom 4. Juni 2023, 06:10 Uhr
Der Gingo
Estrak beobachtete aufmerksam die Spuren im Sägemehl. Schon seit einiger Zeit hatte er die Spuren des Gingos entdeckt und verfolgte ihn aus sicherer Entfernung. Er wusste, dass der Fleischfresser ihn direkt zur Herde der Pflanzenfresser, der heutigen Jagd, führen würde. Zunächst aber würde er das Tier loswerden müssen, sobald sie in der Nähe der Herde angekommen waren.
"Bleib hinter mir, Xan, halte einen guten Abstand von mindestens fünfzig Metern. So kannst du mich immer sehen, und wenn mir etwas passiert, kannst du die anderen Jäger warnen. Vergiss nie, Xan: Es gibt Situationen, in denen die Flucht nicht die Waffe der Feiglinge ist, sondern die der Weisen.
Der Junge nickte ernst, einen Holzstab als einzige Waffe in der Hand. Estrak würde ihm wohl kaum eine Klinge schenken, dafür war Xaneos noch viel zu jung. Aber mit dem Stock konnte er bereits gut umgehen, eine scheinbar harmlose Waffe, die aber in der Lage ist, eine Beute mit wenigen, gezielten Schlägen zu betäuben. Natürlich hatte Xaneos noch nicht viel Kraft, aber Estrak hatte ihm einige Kampftechniken beigebracht, und obwohl die Bewegungen des Kindes noch ungeschickt waren, fiel es ihm doch recht leicht, die Lehren seines Vaters aufzunehmen. Wie jeder zukünftige Jäger wusste Xaneos bereits, wie er sich zwischen den Kreaturen der Wüste hindurchschlängeln konnte, um den gefährlichsten zu entgehen. Es kam nicht selten vor, dass seine Mutter ihn zum Kräutersammeln schickte, und der Junge hatte bereits mehrere Schlangen in seinem Jagdbuch stehen, deren Häute er mit einem gewissen Stolz aufbewahrte.
Auch Estrak war stolz auf den Jungen, den er als reifer und frühreifer als andere Jungen seines Alters empfand. Aber er dachte auch, dass er vielleicht nicht sehr objektiv war und dass Xaneos sich in Zukunft vielleicht doppelt so gut beweisen müsste wie die anderen. Er würde dafür sorgen, dass er dafür bereit war.
Der Gingo lief immer noch etwa 20 Meter vor dem Jäger, der sehr langsam und lautlos die beiden Dolche aus ihren Scheiden zog. Er war bereit, sich dem Raubtier zu stellen, und wartete nur auf den Moment, in dem es sich zu ihm umdrehte. Er machte sich nicht wirklich Sorgen; der Gingo stellte keine große Gefahr dar, solange er von seinem Rudel isoliert blieb. Die Warnung an Xaneos war vor allem eine weitere Lektion, die er in der Praxis gelernt hatte. Und er zog es vor, das Kind aus sicherer Entfernung zu sehen, damit er es nicht versehentlich in die Beine bekam. Aber tief in seinem Inneren wusste er, dass Xaneos sich nicht bewegen würde, da er darauf konzentriert war, den Kampf zu verfolgen, der nun stattfinden würde. Ein Nahkampf, Zahn gegen Klinge, bei dem der Schnellste der Sieger sein würde. Ein Kampf, in dem Estrak ein Meister war.
Der Gingo drehte sich plötzlich um, als er sich der Anwesenheit des Jägers bewusst wurde, und stürzte sich mit blitzartiger Geschwindigkeit auf ihn. Doch der Homin war bereit, mit einem Dolch durchtrennte er die Aorta des Tieres, mit dem zweiten durchbohrte er sein Herz. Die Geste war sauber und präzise, fast chirurgisch, und Estrak wusste, dass ein einziger Schlag für das Fleischfresserchen tödlich gewesen wäre. Aber er ging kein Risiko ein, sondern zielte immer auf zwei kritische Punkte, für den Fall, dass eine seiner Klingen ihr Ziel nicht treffen würde. Das kam so gut wie nie vor...
In der Ferne sah der Junge nicht viel. Ein schwarzer Fleck mit vier Beinen, der sich auf einen Menschen stürzte, eine Bewegung, die fast in der Zeit stehen blieb, als das Tier den Menschen und dann das Raubtier zu Boden riss. Es war zu schnell gegangen, es war zu weit weg. Als er sah, dass der Mensch sich beruhigt aufrichtete, konnte er nicht anders, als in seine Richtung zu rennen. Er war nur noch zwei Meter von ihm entfernt, als Estrak sichtlich wütend knurrte:
"Verpiss dich, du Rotznase, du solltest doch Abstand halten. Gingos sind nie allein, da hängen mindestens ein oder zwei andere herum. Ich brauche dich nicht auf meiner Seite. Ich dachte aber, ich hätte dir das schon gesagt. "
Das Kind starrte ihn einen langen Moment lang an, bevor es sich abrupt umdrehte und in seine ursprüngliche Position zurückkehrte. Estrak hatte genug Zeit gehabt, um die Tränen in Xaneos' Augen aufsteigen zu sehen. Er war nicht gerne hart zu ihm, aber er wusste, dass er es sein musste. Es war besser, wenn er sich daran gewöhnte, denn das Leben eines Fyros in der Wüste war nicht einfach.