Ein neues Gesicht: Unterschied zwischen den Versionen

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Ich habe mich immer sehr für die Legenden unseres Volkes interessiert und versucht, dir so viele wie möglich davon zu erzählen, als du noch ein Kind warst. Doch jetzt wird mir klar, daß es eine gibt, die ich dir nie erzählt habe.<br />
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Meine Mutter erzählte es mir, als ich noch sehr klein war. Sie sagte, daß unsere Vorfahren aus den Flammen geboren wurden, die aus den Feuern entweichen. Der Lauf der Zeit nährte diese Flammen, und bald wurden sie zu fyros, den Flammen, die in ihnen brannten. Und diese wiederum lassen kleine Feuerzungen aus, ihre Kinder. Jeder Fyros wird auf diese Weise geboren, und der Begriff Heim für eine Familie in der Brennenden Wüste zeugt von dieser Legende.<br />
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Aber wenn die Flamme manchmal zittert und dann wieder ihre volle Kraft gewinnt, kommt eine Zeit, in der wir wissen, daß kein Holzscheit sie wieder vollständig entfachen kann. Es kommt der Tag, an dem die Zeit verkündet, daß sie ohne uns weitergehen wird, und ich weiß, daß es nicht mehr lange dauern wird, bis sie mit diesen Worten zu mir spricht. In den Tagen, die mir noch bleiben, möchte ich dir, mein Sohn, zeigen, wie meine Zeit war, damit du aus meinen Erfahrungen lernen kannst. Sie werden also nicht mit mir verschwinden.
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Wenn es einen entscheidenden Moment in den Umwälzungen des Jahres 2540 gibt, dann ist es zweifellos die Ankündigung neuer Kitin-Bewegungen im Osten der Neuen Lande. 2538 bereitete sich noch vor, und im kaiserlichen Büro, wo Berichte gehört und Entscheidungen getroffen wurden, las Epus die Aussagen seiner Informanten.
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Wenn ich mir die Notizen durchlese, die der Schreiber bei jedem unserer Gespräche gewissenhaft aufgezeichnet hat, erinnere ich mich an die gemütliche Palast-Lounge, in der wir uns mit verbundenen Augen aufhielten, um zu verhindern, daß uns unsere Vertraulichkeiten entgleiten. Ich habe eine erstaunlich lebendige Erinnerung an diesen Tag, und während ich schreibe, entfaltet sich die Szene wieder vor mir, unberührt von den Zyklen.
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Unsere vom zunehmenden Licht der Wüste müden Augen konnten die Möbel, die bernsteinfarbenen Würfel und die Schriftrollen nur im schwachen Licht einiger Öllampen erkennen. Der stumme Schreiber, der sich über seinen Schreibtisch beugte, zeichnete jedes unserer Worte auf, und wenn ich sie heute lese, erinnere ich mich an jenen Tag am Ende des letzten Zyklus von 2538.
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"... wir waren erst ein paar Stunden dort, rund um das von den Kitin geschaffene Loch in der Rinde, als der Boden zu beben begann. Dann tauchten sie auf, furchterregend, die größten ihrer Art, die in diesem Teil von Atys zu finden sind. Ohne sich auch nur umzuschauen, stürzten sie sich auf unsere Schwerter, Äxte und Spieße. Es waren Hunderte, vielleicht Tausende, und sie strömten in einem ununterbrochenen Strom in das Waldgebiet, ohne daß ihr Nest leer zu werden schien.<br />
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Als ich mich unter die Homins mischte, die gekommen waren, um den Stamm zu verteidigen, dachte ich in diesem Moment, daß meine letzten Augenblicke gekommen waren. Aber wir kämpften energisch, ohne zu zögern, und wenn einer von uns fiel, hob ihn ein anderer wie von Zauberhand auf. Allmählich wurde mir klar, daß wir zwar zahlenmäßig weit unterlegen waren, daß aber unser Wille und unsere Tapferkeit an diesem Tag ausreichen würden, um die Flut aufzuhalten. Unzählige Kitin kamen immer wieder und zerschmetterten die unerschütterliche Mauer der etwa dreihundert Homins, die zur Verteidigung gekommen waren..."
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Ich unterbrach Epus' Lesung abrupt mit einer Handbewegung:<br />
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"Dreihundert?! Unmöglich, Yrkanis hat keine solche Armee!<br />
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- Ich habe nicht gehört, dass Yrkanis den Adel von Matis gebeten hat, zu intervenieren. Warum sollten sie ihre Krieger zur Verteidigung dieses Stammes schicken? Soviel ich weiß, sind sie keine Vasallen der Matis.
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- Wer dann? Die Ranger haben auch keine dreihundert Soldaten", fuhr ich fort. "Der Informant denkt sich das aus und bläht die Sache auf, um sie episch klingen zu lassen. Warum verschwenden wir unsere Zeit mit solch unzuverlässigen Zeugenaussagen?
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- Vielleicht sind sie das. Andere Informanten sprechen davon, daß halb so viele Homin versammelt sind. Aber sie ...
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- Es macht keinen Unterschied. Einhundertfünfzig Homin! Schließlich kann kein Volk und keine Gilde so viele Kämpfer versammeln, zumindest nicht seit dem Exodus!
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- Es scheint, daß der Stamm überall in den Neuen Landen gestreute Botschaften mit der Bitte um Hilfe verschickt hat. Ich habe von ihren Hilferufen gehört und sie an die Senatoren weitergeleitet, um zu sehen, was sie von der Intervention unserer kaiserlichen Armee halten.
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- Und was haben sie gesagt?
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- Ich habe ihre Antwort hier, ich wollte sie Ihnen nachher vorlesen. Sie haben das Gefühl, dass..." Epus nahm ein weiteres handgeschriebenes Blatt zur Hand und las: "...wir können es uns nicht leisten, die Verteidigungsanlagen und Außenposten unserer Stadt zu zerstören, um einen Stamm zu retten, mit dem wir kaum je Handel getrieben haben. Sie fügen hinzu, daß wir uns einer zu großen Gefahr aussetzen würden, wenn wir das Reich ohne einen Teil seiner Armee zurückließen. Kurz gesagt, sie raten uns, nicht zu handeln... Und das haben wir ja auch getan." Abschließend legte er das Dokument nieder.
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Auf den Notizen des Schreibers nahm sich die Rohrfeder die Zeit, aus dem Tintenfass zu trinken und kleine Flecken zu hinterlassen, während sie darauf wartete, dass Epus oder ich wieder das Wort ergriffen. Ich musste, wie es bei solchen Gelegenheiten üblich ist, die Hände unter die Nase halten und die Lippen aufeinanderpressen, während ich nachdachte.
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"Homins aus der ganzen Welt eilten also einem ihnen unbekannten Stamm zu Hilfe, ohne daß sie irgendwelche Befehle erhielten?
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- Ja", bestätigt Epus. Einem anderen meiner Informanten zufolge handelt es sich meist um Flüchtlinge. Keiner der Verantwortlichen scheint eine wirkliche Kontrolle über die Menschen zu haben, die in den letzten zehn Jahren gekommen sind. Und selbst nach fast vierzehn Jahren werden die Älteren von den Homin, die die [[Regenbögen]] ritten, immer noch "Flüchtlinge" genannt. Im Allgemeinen sind sie keine Bürger irgendeines Volkes.
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- Und wenn Kitin auftauchen, eilen hundertfünfzig von ihnen, um sie abzuwehren, und es gelingt ihnen..."
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Ich erinnere mich, daß Epus meine letzte Bemerkung nachklingen ließ, bevor er fortfuhr:<br />
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"Die Flüchtlinge sind beachtlich, sowohl was die Stärke als auch die Anzahl betrifft. Die Vier Völker ignorieren sie nach wie vor, aber seit all den Jahren strömen sie in die Neuen Lande. Es wäre falsch, dies nicht zu sehen.
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Sie sind die ersten, die auf ein Ereignis reagieren, und sie geben oft den Ausschlag für die eine oder andere Seite. Es ist nicht ungewöhnlich, daß Flüchtlinge aus der ganzen Welt zu uns kommen, wenn wir die Bürger von Fyros versammeln.
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- Ja, das weiß ich. Aber ich hätte nicht geglaubt, daß sie so schnell und so zahlreich reagieren können, ohne sich zu organisieren.<br />
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- Coriolis! Es ist unser Glück, daß sie sich nicht organisieren können! Wenn wir der letzten Zählung der Ranger von Atys Glauben schenken dürfen, würde die Hälfte oder ein Viertel von ihnen ausreichen, um ein neues Reich zu gründen."
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Bis heute bin ich erstaunt, daß Epus in der Lage war, so vertrauliche Dokumente wie die von den Rangern regelmäßig geführten Homin-Zählungen einzusehen. Aber an jenem Tag im Jahr 2538 waren meine Gedanken ganz woanders, und die Ideen schossen mir durch den Kopf.
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"Wir haben genug von den Marodeuren und den Kitins, um es uns zu erlauben, solch mächtige und unorganisierte Banden von Homins entscheiden zu lassen, ob wir ein Imperium aufbauen oder nicht. Wir können uns den Luxus einer weiteren potenziellen Bedrohung nicht leisten.
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- Yrkanis hält auch nicht viel davon. Ich habe noch nie gehört, daß er sich um die Flüchtlinge in seinem Reich kümmert. Nur Mabreka hat ihnen eine echte Rolle in seinem Volk gegeben. Was Toen betrifft, so wäre ich überrascht, wenn er es jemals schaffen würde, den Trykern auch nur den Anschein einer Organisation zu geben, um Flüchtlinge aufzunehmen..."
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"Einige von ihnen sind Fyros, zumindest von Geburt an. Vielleicht ist es an der Zeit, daß sie aufhören, Flüchtlinge zu sein...
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- Um vollwertige Bürger zu werden? Warum sollten sie das akzeptieren?
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- Für das Prestige, zum Reich der Brennenden Wüste zu gehören. Und dann könnten wir einigen von ihnen eine Art Rolle, eine Aufgabe, eine Verantwortung übertragen.
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- Man zerstört nicht sein eigenes Haus. Ist es das, was du denkst, Epus?
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- Ja."
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Ein kleines Kästchen am Rand verdeutlicht die Stille, die sich einstellte, als ich darüber nachdachte.
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"Sage meine Termine für den Rest des Tages ab, ich muß darüber nachdenken, die Klinge schlagen, solange das Feuer noch brennt.<br />
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- Die kaiserlichen Alchemisten möchten Sie über die Probleme ihrer aktuellen Forschung informieren.
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- Nun, sie werden bis morgen warten, um mir zu sagen, daß sie noch nichts entdeckt oder erfunden haben.
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- Ich glaube, sie warten auf mehr Geld.
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- Zugegeben! Wenn man sie schon umsonst unterstützt, kann man es auch für viel Geld tun", schloss ich. Die letzten Zeilen waren vom Schreiber durchgestrichen worden: "Und sagen Sie ihnen, daß ich so bald wie möglich ein Bad nehmen werde. Ich denke in heißem Wasser immer besser."
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In der Ruhe und dem Dampf des kleinen Beckens des Bades zeichnete ich an diesem Nachmittag ein neues Gesicht des Reiches.
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[[Kategorie:Chroniken 2525 - 2562]]
 
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Aktuelle Version vom 2. November 2021, 08:03 Uhr

de:Ein neues Gesicht fr:Un Nouveau Visage
 
UnderConstruction.png
Übersetzung zur Überprüfung
Gib nicht den Mitwirkenden die Schuld, sondern komm und hilf ihnen. 😎

Ich habe mich immer sehr für die Legenden unseres Volkes interessiert und versucht, dir so viele wie möglich davon zu erzählen, als du noch ein Kind warst. Doch jetzt wird mir klar, daß es eine gibt, die ich dir nie erzählt habe.
Meine Mutter erzählte es mir, als ich noch sehr klein war. Sie sagte, daß unsere Vorfahren aus den Flammen geboren wurden, die aus den Feuern entweichen. Der Lauf der Zeit nährte diese Flammen, und bald wurden sie zu fyros, den Flammen, die in ihnen brannten. Und diese wiederum lassen kleine Feuerzungen aus, ihre Kinder. Jeder Fyros wird auf diese Weise geboren, und der Begriff Heim für eine Familie in der Brennenden Wüste zeugt von dieser Legende.
Aber wenn die Flamme manchmal zittert und dann wieder ihre volle Kraft gewinnt, kommt eine Zeit, in der wir wissen, daß kein Holzscheit sie wieder vollständig entfachen kann. Es kommt der Tag, an dem die Zeit verkündet, daß sie ohne uns weitergehen wird, und ich weiß, daß es nicht mehr lange dauern wird, bis sie mit diesen Worten zu mir spricht. In den Tagen, die mir noch bleiben, möchte ich dir, mein Sohn, zeigen, wie meine Zeit war, damit du aus meinen Erfahrungen lernen kannst. Sie werden also nicht mit mir verschwinden.

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Wenn es einen entscheidenden Moment in den Umwälzungen des Jahres 2540 gibt, dann ist es zweifellos die Ankündigung neuer Kitin-Bewegungen im Osten der Neuen Lande. 2538 bereitete sich noch vor, und im kaiserlichen Büro, wo Berichte gehört und Entscheidungen getroffen wurden, las Epus die Aussagen seiner Informanten. Wenn ich mir die Notizen durchlese, die der Schreiber bei jedem unserer Gespräche gewissenhaft aufgezeichnet hat, erinnere ich mich an die gemütliche Palast-Lounge, in der wir uns mit verbundenen Augen aufhielten, um zu verhindern, daß uns unsere Vertraulichkeiten entgleiten. Ich habe eine erstaunlich lebendige Erinnerung an diesen Tag, und während ich schreibe, entfaltet sich die Szene wieder vor mir, unberührt von den Zyklen.

Unsere vom zunehmenden Licht der Wüste müden Augen konnten die Möbel, die bernsteinfarbenen Würfel und die Schriftrollen nur im schwachen Licht einiger Öllampen erkennen. Der stumme Schreiber, der sich über seinen Schreibtisch beugte, zeichnete jedes unserer Worte auf, und wenn ich sie heute lese, erinnere ich mich an jenen Tag am Ende des letzten Zyklus von 2538.

"... wir waren erst ein paar Stunden dort, rund um das von den Kitin geschaffene Loch in der Rinde, als der Boden zu beben begann. Dann tauchten sie auf, furchterregend, die größten ihrer Art, die in diesem Teil von Atys zu finden sind. Ohne sich auch nur umzuschauen, stürzten sie sich auf unsere Schwerter, Äxte und Spieße. Es waren Hunderte, vielleicht Tausende, und sie strömten in einem ununterbrochenen Strom in das Waldgebiet, ohne daß ihr Nest leer zu werden schien.
Als ich mich unter die Homins mischte, die gekommen waren, um den Stamm zu verteidigen, dachte ich in diesem Moment, daß meine letzten Augenblicke gekommen waren. Aber wir kämpften energisch, ohne zu zögern, und wenn einer von uns fiel, hob ihn ein anderer wie von Zauberhand auf. Allmählich wurde mir klar, daß wir zwar zahlenmäßig weit unterlegen waren, daß aber unser Wille und unsere Tapferkeit an diesem Tag ausreichen würden, um die Flut aufzuhalten. Unzählige Kitin kamen immer wieder und zerschmetterten die unerschütterliche Mauer der etwa dreihundert Homins, die zur Verteidigung gekommen waren..."

Ich unterbrach Epus' Lesung abrupt mit einer Handbewegung:
"Dreihundert?! Unmöglich, Yrkanis hat keine solche Armee!
- Ich habe nicht gehört, dass Yrkanis den Adel von Matis gebeten hat, zu intervenieren. Warum sollten sie ihre Krieger zur Verteidigung dieses Stammes schicken? Soviel ich weiß, sind sie keine Vasallen der Matis. - Wer dann? Die Ranger haben auch keine dreihundert Soldaten", fuhr ich fort. "Der Informant denkt sich das aus und bläht die Sache auf, um sie episch klingen zu lassen. Warum verschwenden wir unsere Zeit mit solch unzuverlässigen Zeugenaussagen? - Vielleicht sind sie das. Andere Informanten sprechen davon, daß halb so viele Homin versammelt sind. Aber sie ... - Es macht keinen Unterschied. Einhundertfünfzig Homin! Schließlich kann kein Volk und keine Gilde so viele Kämpfer versammeln, zumindest nicht seit dem Exodus! - Es scheint, daß der Stamm überall in den Neuen Landen gestreute Botschaften mit der Bitte um Hilfe verschickt hat. Ich habe von ihren Hilferufen gehört und sie an die Senatoren weitergeleitet, um zu sehen, was sie von der Intervention unserer kaiserlichen Armee halten. - Und was haben sie gesagt? - Ich habe ihre Antwort hier, ich wollte sie Ihnen nachher vorlesen. Sie haben das Gefühl, dass..." Epus nahm ein weiteres handgeschriebenes Blatt zur Hand und las: "...wir können es uns nicht leisten, die Verteidigungsanlagen und Außenposten unserer Stadt zu zerstören, um einen Stamm zu retten, mit dem wir kaum je Handel getrieben haben. Sie fügen hinzu, daß wir uns einer zu großen Gefahr aussetzen würden, wenn wir das Reich ohne einen Teil seiner Armee zurückließen. Kurz gesagt, sie raten uns, nicht zu handeln... Und das haben wir ja auch getan." Abschließend legte er das Dokument nieder.

Auf den Notizen des Schreibers nahm sich die Rohrfeder die Zeit, aus dem Tintenfass zu trinken und kleine Flecken zu hinterlassen, während sie darauf wartete, dass Epus oder ich wieder das Wort ergriffen. Ich musste, wie es bei solchen Gelegenheiten üblich ist, die Hände unter die Nase halten und die Lippen aufeinanderpressen, während ich nachdachte.

"Homins aus der ganzen Welt eilten also einem ihnen unbekannten Stamm zu Hilfe, ohne daß sie irgendwelche Befehle erhielten? - Ja", bestätigt Epus. Einem anderen meiner Informanten zufolge handelt es sich meist um Flüchtlinge. Keiner der Verantwortlichen scheint eine wirkliche Kontrolle über die Menschen zu haben, die in den letzten zehn Jahren gekommen sind. Und selbst nach fast vierzehn Jahren werden die Älteren von den Homin, die die Regenbögen ritten, immer noch "Flüchtlinge" genannt. Im Allgemeinen sind sie keine Bürger irgendeines Volkes. - Und wenn Kitin auftauchen, eilen hundertfünfzig von ihnen, um sie abzuwehren, und es gelingt ihnen..."

Ich erinnere mich, daß Epus meine letzte Bemerkung nachklingen ließ, bevor er fortfuhr:
"Die Flüchtlinge sind beachtlich, sowohl was die Stärke als auch die Anzahl betrifft. Die Vier Völker ignorieren sie nach wie vor, aber seit all den Jahren strömen sie in die Neuen Lande. Es wäre falsch, dies nicht zu sehen. Sie sind die ersten, die auf ein Ereignis reagieren, und sie geben oft den Ausschlag für die eine oder andere Seite. Es ist nicht ungewöhnlich, daß Flüchtlinge aus der ganzen Welt zu uns kommen, wenn wir die Bürger von Fyros versammeln. - Ja, das weiß ich. Aber ich hätte nicht geglaubt, daß sie so schnell und so zahlreich reagieren können, ohne sich zu organisieren.
- Coriolis! Es ist unser Glück, daß sie sich nicht organisieren können! Wenn wir der letzten Zählung der Ranger von Atys Glauben schenken dürfen, würde die Hälfte oder ein Viertel von ihnen ausreichen, um ein neues Reich zu gründen."

Bis heute bin ich erstaunt, daß Epus in der Lage war, so vertrauliche Dokumente wie die von den Rangern regelmäßig geführten Homin-Zählungen einzusehen. Aber an jenem Tag im Jahr 2538 waren meine Gedanken ganz woanders, und die Ideen schossen mir durch den Kopf.

"Wir haben genug von den Marodeuren und den Kitins, um es uns zu erlauben, solch mächtige und unorganisierte Banden von Homins entscheiden zu lassen, ob wir ein Imperium aufbauen oder nicht. Wir können uns den Luxus einer weiteren potenziellen Bedrohung nicht leisten. - Yrkanis hält auch nicht viel davon. Ich habe noch nie gehört, daß er sich um die Flüchtlinge in seinem Reich kümmert. Nur Mabreka hat ihnen eine echte Rolle in seinem Volk gegeben. Was Toen betrifft, so wäre ich überrascht, wenn er es jemals schaffen würde, den Trykern auch nur den Anschein einer Organisation zu geben, um Flüchtlinge aufzunehmen..."

"Einige von ihnen sind Fyros, zumindest von Geburt an. Vielleicht ist es an der Zeit, daß sie aufhören, Flüchtlinge zu sein... - Um vollwertige Bürger zu werden? Warum sollten sie das akzeptieren? - Für das Prestige, zum Reich der Brennenden Wüste zu gehören. Und dann könnten wir einigen von ihnen eine Art Rolle, eine Aufgabe, eine Verantwortung übertragen. - Man zerstört nicht sein eigenes Haus. Ist es das, was du denkst, Epus? - Ja."

Ein kleines Kästchen am Rand verdeutlicht die Stille, die sich einstellte, als ich darüber nachdachte.

"Sage meine Termine für den Rest des Tages ab, ich muß darüber nachdenken, die Klinge schlagen, solange das Feuer noch brennt.
- Die kaiserlichen Alchemisten möchten Sie über die Probleme ihrer aktuellen Forschung informieren. - Nun, sie werden bis morgen warten, um mir zu sagen, daß sie noch nichts entdeckt oder erfunden haben. - Ich glaube, sie warten auf mehr Geld. - Zugegeben! Wenn man sie schon umsonst unterstützt, kann man es auch für viel Geld tun", schloss ich. Die letzten Zeilen waren vom Schreiber durchgestrichen worden: "Und sagen Sie ihnen, daß ich so bald wie möglich ein Bad nehmen werde. Ich denke in heißem Wasser immer besser."

In der Ruhe und dem Dampf des kleinen Beckens des Bades zeichnete ich an diesem Nachmittag ein neues Gesicht des Reiches.

  Memoiren für Prinz Lykos, von Kaiser Dexton.

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