Störungen des Sapflusses

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Störungen des Sapflusses

Der Dschungel in neuem Gewand

Als ich an einem sonnigen Frühlings-Tag von einer langen Erkundungsreise in die Städte der Einsicht zurückkehrte, konnte ich meine Heimat fast nicht wiedererkennen. Das Antlitz der verdorrenden Lande hatte sich in meiner Abwesenheit auf völlig unerwartete Weise geändert. Unmengen von Wurzelsträngen und andere fremde Pflanzen waren überall im Dschungel hochgeschossen; manche Gegenden waren durch den üppigen Bewuchs kaum noch passierbar. Außerdem hieß es, daß eine Schlacht gegen Massen von Yelks im Hain von Umbra stattgefunden hätte. Yelks? Die waren aber doch noch nie in unseren Landen heimisch gewesen!? Um mehr über diese neuesten Entwicklungen zu erfahren, machte ich mich in der Bibliothek zu Zora schlau.

Fräulein Sasura Rinichio, eine bekannte Matis-Diplomatin, hatte als erstes Wandlungen im Dschungel bemerkt und diese für die Nachwelt dokumentiert. Das war so ungefähr am Quarta, dem 22. Medis des 1. Zyklus’ im AtysJahr 2553 gewesen. Zuerst war leuchtende Urwurzel-Vegetation auf einem Hang an der Oberfläche in der Nähe des Kami-Altars im Hain von Umbra aufgefallen. Danach entdeckten Sasura Rinichio und andere Reisende immer mehr bemooste Crolice-Wurzelbögen (eine matisianische Bezeichnung), die man sonst nur zuhauf in den grünen Anhöhen findet. Schon in diesen Anfängen wurde zudem von einigen aggressiven Yelks im Hain berichtet.

Bei wiederholten Erkundungsreisen konnten Fräulein Sasura Rinichio und Fräulein Nuzanshi Ri-Rian, die darüber Karten anlegte, zunehmend weitere Veränderungen in weiteren Gebieten des Dschungels beobachten. Die ungewöhnlichen Wurzel-Wucherungen zogen sich aneinandergereiht wie Perlenketten vom Hain von Umbra durchs ganze jungfräuliche Wäldchen bis weit ins Nichts / die Leere, sowie quer durch die Städte der Einsicht bis in den Knoten der Demenz hinauf. Außerdem fand man braunhäutige Wald-Timaris im Knoten der Demenz, grasgrüne Cuttler, wie sie fürs Waldland typisch sind, im Nichts; und obendrein immer mehr und mehr Yelkgrüppchen, die bis in die Städte der Einsicht wanderten; teils angriffslustig, teils friedfertig.

Hier und dort wurden zusätzlich noch ein paar Pflanzen aus den grünen Anhöhen entdeckt. Das alles weckte das Interesse des bekannten Botanikers Cuiccio Perinia von der königlichen Akademie zu Yrkanis, der sich deshalb am Holeth, dem 24. Fallenor des 1. Zyklus’ im AtysJahr 2553 unverzüglich zu Forschungen in den Dschungel aufmachte, mit einer Eskorte von freiwilligen Beschützern. Herr Perinia hat übrigens in der Vergangenheit spannende botanische Exkursionen durch einige Länder geleitet, und ich hatte schon einmal das Glück, bei solch einer dabei sein zu dürfen. In den Augen einer Zoraï ist er zwar in seinen Reden oft von etwas übermäßigem Stolz auf sein Volk geprägt, aber auch sehr wissensreich und lobenswerterweise überaus bereitwillig, seine Kenntnisse mit allen Interessierten zu teilen.

Während noch keine der Regierungen Handlungsbedarf in erhöhtem Pflanzenwuchs und ein paar ungewöhnlichen Tierherden sah, führten die seltsamen Änderungen an Flora und Fauna im Volk schon zu allerlei Gemunkel. Im Dschungel umherwandernde Homins wie Händler, Ernter, Sammler und auch Wächter begannen, Verdächtigungen gegen dubiose nachts umherstreifende Individuen zu äußern, scheinbar Zoraïischer Abstammung. Diese Unbekannten sollen Fragen geäußert und an Außenposter-Bohrer herumhantiert haben. Doch hoffentlich nicht Helfer des abtrünnigen, wahnsinnigen Zoraï Muang-Hoi-Gi, der für seine grauenhaften Manipulationen an Tieren und Homins mit Goo bekannt war? Die Gerüchteküche brodelte!

Es dauerte jedoch noch eine geraume Zeit, bis deswegen endlich eine Versammlung des Kreises des Wiederaufbaus einberufen wurde, und zwar am Prima, dem 7. Fallenor des 2. Zyklus’ im AtysJahr 2553. Anwesend war dabei sogar der ehrenwerte Mabreka Cho, der Große Weise und Herrscher der Zoraï. Die kritisierte Verzögerung bis zur Einberufung einer Besprechung über die Vorgänge im Dschungel wurde vom Rat damit begründet, daß noch eine Zeitlang auf weitere Aussagen von gebürtigen Zoraï gehofft worden war, die offenbar ausgeblieben waren. Bei der Sitzung des Kreises wurden einerseits Maßnahmen besprochen, die Außenposten-Bohrer vor Manipulationen durch Hominhände zu schützen, sowie natürlich weitere Informationen über Verdächtige sowie über die Phänomene selbst zu sammeln.

Auch des Botanikers Cuiccio Perinias erste Forschungsergebnisse wurden präsentiert. Der hatte die frisch herangebildeten Wurzelstränge im Dschungel analysiert, und ihren Verlauf anhand Fräulein Nuzanshis Ri-Rians Karten als identisch mit dem Kurs eines großen Sapstromes unter der Oberfläche der verdorrenden Lande befunden. Crolice-Wurzeln, so Herr Perinia, seien bekannt dafür, daß sie große Mengen an Sap transportieren. Er zog daraus den Schluß, daß sich in das Sap in seinem unterirdischen Fluß angestaut haben könnte, was durch die daraus deutlich erhöhte Sap-Konzentration im Boden das übermäßige Wachstum von Crolice bewirkt haben konnte.

Genauso sollen Pflanzen, die für die grünen Anhöhen typisch sind, laut Herrn Perinia viel Sap im Boden zum Wachsen benötigen; deren Vorkommen im Dschungel würde seine Theorie somit untermauern. Ebenfalls zur Sprache kam, daß sich die Yelk-Gruppen inzwischen vor allem im Hain von Umbra überaus stark vermehrt hatten. Zur Sorge der Bevölkerung zeigte sich die Mehrzahl dieser starken Yelks auch noch ungewöhnlich aggressiv. Obwohl bei der Versammlung zunächst beschlossen wurde, die Entwicklung noch eine weitere Zeitlang zu beobachten, wurde diese Planung erschreckend schnell hinfällig!

Denn schon in den nächsten Tagen häuften sich besorgte bis angsterfüllte Berichte von Reisenden, daß sich vom Urwurzel-Abgang bis zur Gu-Qin Werkstatt eine Herde Yelks förmlich an die nächste reihte und man kaum noch das Moos unter ihren Klauen sehen konnte. Und diese Kreaturen waren obendrein noch überaus angriffslustig! Ein Homin konnte sich im Hain selbst auf den sonst bekanntermaßen ungefährlichen Wegen seines Lebens nicht mehr sicher sein. Die kleine Stadt Min-Cho fühlte sich dadurch unmittelbar bedroht, denn man befürchtete, daß die Yelks bei weiterer Ausbreitung in die Stadt wandern und dort verheerenden Schaden anrichten könnten.

Deswegen kam es am 24. Mystia des 2. Zyklus’ im AtysJahr 2553 zur schon erwähnten großen Schlacht gegen Unmengen von Yelks im Hain von Umbra, wofür sogar einige ständige Wachposten der Zoraï aus den Städten abgezogen wurden. Es soll wegen der Giftigkeit sterbender Yelks ein überaus harter Kampf gewesen sein. Aber das Kampfglück war am Ende mit den Homins, und die Bürger von Min Cho konnten wieder ruhig schlafen.

Die Bohrer

Kurz darauf, am 27. Winderly des 3. Zyklus’ im AtysJahr 2553, fand eine Sondersitzung des Kreises des Wiederaufbaus statt. Dabei waren zwei Weise unseres Volkes anwesend; Herr Gangi Cheng-Ho und der erst relativ kürzlich aus den Alten Landen eingetroffene Herr Saison. Obendrein soll sogar ein Kami bei der Sitzung aufgetaucht sein, wie ich hörte. Es wurden neueste Untersuchungs-Ergebnisse ausgetauscht, darunter wurde über eine Zunahme von Nebelschwaden berichtet, also von mehr Feuchtigkeit als sonst, die aus dem Boden verdunstete; und leider auch von weiteren neu-gebildeten Wurzelsträngen.

Noch stärker als zuvor wurde der Sorge Ausdruck verliehen, daß sich die Veränderungen von den verdorrenden Landen bis nach Aeden Aqueous fortsetzen könnten. Aufgrund der Forschungen des Matis-Botanikers Perinia wurde beschlossen, als rasche Notmaßnahme Bohrer, wie sie auf den Außenposten üblich sind, auf den am meisten betroffenen Knoten des Sapflusses zu errichten. Würden nämlich Bohrer in den Sapstrom gesenkt und überschüssigen aufgestauten Sap herausziehen, sollte sich der Druck senken und die ungewöhnlichen Effekte müßten zurückgehen, meinte Perinia.

Ein Hilfs-Angebot der Karavans wurde jedoch etwas schroff abgelehnt. Nicht zuletzt deswegen, weil die Weisen der Zoraï glauben, daß die Kamis aus Sap bestehen, und daß die Karavan in Fragen des Landes sowie des Saps für wenig bis gar nicht bewandert seien. Diese Ablehnung nahmen manche Vertreter jena-gläubiger Völker mit großem Mißfallen auf. Es soll daraufhin sogar zur Verbreitung von infamer Lügenpropaganda gegen unser Volk gekommen sein, die angebliche Goo-Drogen-Höhlen und Lästerungen gegen Ma-Duk-Gläubige zum Inhalt hatten! Zusätzlich äußerten manche Matis in der Öffentlichkeit ihren Unmut gegen die Zögerlichkeit der Zoraï-Regierung sowie auch pauschal gegen “alle” Zoraï, die ihren offiziellen Stellen Bericht erstattet und verunsichert auf Beschlüsse ihrer Regierung gewartet hatten.

Der Weise Saison zeigte sich gleichzeitig wiederum mißtrauisch gegenüber anderen Völkern, besonders aber den Jena-gläubigen. Er erklärte, daß er von den Kamis gesandt worden war, um sich dem Rat der Alten anzuschließen. Saison war erst kürzlich aus den Alten Landen angekommen und hatte bisher wenig Kontakt mit anderen Homin-Völkern als den Zoraï; die Verhältnisse der Neuen Lande waren für ihn daher erstmal noch sehr ungewohnt. Die Kamis wiederum erklärten lösungsorientiert, sich mit ihren bewährten Bohrertypen um das Problem kümmern zu wollen, womit die Sitzung geschlossen wurde. Als nächstes wurde daher also eine sehr große Anzahl Baumaterialien benötigt, um die Sap-Bohrer damit zu konstruieren.

Hiermit begann der Bau der drei Bohrer im Dschungel, welcher viele Hände für lange Zeit beschäftigt hielt. Zum Wohle der Natur schloß ich mich den Rohstofferntern an - obwohl ich gleichzeitig bedauerte, daran mitzuarbeiten, die herrlich grünen und so gesund wirkenden neuen Pflanzen wieder zum Verschwinden zu bringen… Am Quinteth, dem 17. Thermis des 3. Zyklus’ im AtysJahr 2553 führte Saison zur erklärenden Einführung eine größere Gruppe an Helfern für die allererste Bohrer-Rohstoff-Anlieferung von Jen Lai nach Süden. Zuerst wurden den willigen Händen Stellen zum Sammeln von Rohstoffen gezeigt, danach Materialien in den Packtaschen von Mektoubs gesammelt, und zuletzt brachen die Helfer als Eskorte der ersten Material-Lieferung zur Bohrer-Baustelle in der Wölbung auf.

Leider lief dabei nicht alles reibungslos. Nicht nur attackierten einige übriggebliebene Yelk-Grüppchen den kleinen Zug, außerdem versuchten noch Stammesmitglieder der Antikami als altbekannte Feinde des Zoraï-Volkes sowohl den Rohstoff-Abbau als auch die Beförderung zu behindern. Diesen Attacken erlagen bedauerlicherweise trotz aller Anstrengungen die beladenen Pack-Tiere, und es dauerte seine Zeit, bis Ersatz-Tiere herangebracht worden waren. Als die Lieferung dann endlich bei der Baustelle ankam, war diese bereits mit wenigen Wachen gesichert und provisorisch umzäunt worden. Zusätzlich wurde baldigst eine Tafel dort aufgestellt, auf der alle Material-Lieferungen vermerkt werden sollten, mit den Namen der Rohstofflieferanten und der bereits gesammelten Menge in Bezug auf die benötigte Gesamtmenge. Eine weitere solche Tafel wurde später auch noch in Min-Cho errichtet.

Viele Wochen und gar Monate lang rangen nun Rohstoff-Ernter verschiedener Nationen für den Bau der Bohrer dem Boden von Atys riesige Mengen verschiedenster Materialien ab. Nebenbei begaben sich einige Homins, darunter auch ich, auf lange Erkundungs-Wanderungen durch die verdorrenden Land, damit uns keine wichtigen Anzeichen für Neu-Entwicklungen entgehen sollten, sowie um hoffentlich verdächtige Homins rechtzeitig entdecken und zur Rede stellen zu können, damit mehr über die Hintergründe der derzeitigen Abläufe in der Natur bekannt würde.

Ich habe meine Heimat immer schon innig geliebt, vor allem das üppige saftige Grün und den wunderbaren feuchten Moos-Boden. Aber ebenso oder fast noch besser gefiel mir nun die neu variierende Vegetation! Die gewundenen grünenden Crolice-Wurzelbögen fügten sich in meinen Augen ganz natürlich in die Landschaft ein. Weiß blühende Bäume und Büsche bildeten zarte willkommene Lichtblicke im dunklen Grün. Aber vor allem die leuchtenden Pflanzen aus den Urwurzeln, die sich hier und dort zeigten, empfand ich als besonders herrlich. Jeden Tag genoß ich bei langen Ausflügen den andersartigen, aber doch so wunderbar stimmigen Anblick, den die mir vertrauten Gefilde nun aufwiesen, und ich konnte gar nicht genug davon bekommen.

Abend für Abend wurden in Min-Cho gleichzeitig weiterhin die Rohstoffe zahlreicher fleißiger Ernter bei den Karawanenführern und ihren Pack-Mektoubs abgegeben, von diesen gesammelt und zu den Baustellen geliefert. Nachdem ein Drittel der Materialien zusammengebracht war, wurde sodann am Prima, dem 7. Mystia des 3. Zyklus’ 2553 der erste Bohrer in der Wölbung vom Weisen Saison feierlich mit einer sachlichen Rede eingeweiht. Es war sehr eindrucksvoll, dabei zuzusehen, wie die geschwungenen hölzernen Pflanzen-Bohrer vor unseren Augen mit den letzten Handgriffen fertiggestellt wurde und das erste Sap in die Auffang-Tröge strömte!

Gleich anschließend an die Bohrer-Einweihung führte der Weise eine Gruppe Homins noch zu einem kleinen Erkundungs-Ausflug in die Urwurzeln von Umbra. Dort waren leider schon ganz nahe beim Eingang neu gewucherte Wurzelstränge zu entdecken, so viele, daß das Durchkommen kaum möglich war. Zusätzlich verhielten sich einige Yelks bei den Sapseen weiter im Inneren der großen Urwurzelhöhlen aggressiv. Wenn die Veränderungen des Sapstromes nicht bald aufgehalten werden konnten, sah es so aus, als ob sie sich weiter durch die Urwurzeln bis zu den Seenlanden fortsetzen würden, und auch diese durch aus den Urwurzeln herausströmende Yelks gefährden…

Die Suche nach der Ursache der Sap-Störung

Die Bohrer schienen wie vorausgeplant zu wirken, denn die Zahl der Crolice-Wurzelstränge nahm nach dem Bohrerbau in der Gegend von Umbra nicht weiter zu. Und schon bei der nächsten Sitzung des Kreises des Wiederaufbaus am Tria, 27. Winderly des 4. Zyklus’ im AtysJahr 2553 erwähnte auch der Matis-Botaniker Perinia sozusagen ganz offiziell, daß der erste Bohrer den erwünschten Effekt hätte, denn die Wucherungen schienen fürs erste aufgehalten. Leider meinte der Gelehrte allerdings, daß die Bohrer allein das Problem nicht lösen könnten, solang der Sap unter der Oberfläche nicht wieder frei fließen könne. Für den schlimmsten Fall wurde sogar ein Sap-Mangel und eine folgende Schädigung der ursprünglichen Dschungel-Vegetation prognostiziert.

Hernach ging Herr Perinia auf Verdachtsmomente gegenüber seinem Volk ein, die in der Zwischenzeit angewachsen waren. Verschiedene Homins hatten sich Gedanken darüber gemacht, warum wohl einige Pflanzen aus den grünen Anhöhen nun im Dschungel gesichtet wurden, und die Homins hatten sich erinnert, daß die Matis Meister der Manipulatoren von Pflanzen waren, wie ihre Häuser ja eindeutig beweisen. Der Matis-Gelehrte räumte ein, daß in früheren Zeiten Matis-Ingenieure tatsächlich schon Crolice-Wurzeln verändert hatten, wie beispielsweise für den Bau der Arena durch Bravichi Lenardi, für die Vorbereitung der Bäume im Almati-Wald durch Gilado Almati als spätere Wohntürme, oder für den Beginn eines Schutz-Walls gegen die Kitins - solange übrigens, bis dieser Mauerbau von den Kamis verboten wurde.

Dennoch beteuerte der erfahrene Botaniker Perinia, daß diese Techniken im Dschungel unmöglich angewandt worden sein konnten. Von den alten Techniken seien nicht mehr alle bekannt, nur der königlichen Akademie, so behautpete er - diese wäre also zur Unterstützung nötig gewesen, um Wurzelstränge zu manipulieren. Außerdem hätten solche Aktionen große Baustellen, sehr viele Arbeiter, Ingenieure sowie eine ungeheuer große Menge an Material benötigt. Die Stämme im jungfräulichen Wäldchen oder gar lediglich ein paar verdächtige Wanderer hätten das niemals zustande gebracht, bekräftigte Herr Perinia, von seinen eigenen Worten offenbar überzeugt.

Während das Nachdenklichkeit auslöste, präsentierten Fräulein Sasura Rinichio und Fräulein Lylanea Vicciona Informationen, die sie vom Stamm “der schwarze Kreis” im Hain von Umbra erhalten hatten. Der Stamm war früher für Verbindungen zum grausamen Muang Hoi-Gi bekannt gewesen; der wohl gefährlichste Feind des Zoraï-Volkes und Erzfeind unseres Herrschers Mabreka Cho. Zuletzt hatten wir Muang Hoi-Gi als Verbündeten der Marodeure angetroffen, als sie ein Dorf beim Berello-Schlucht-Grenzposten in den Anhöhen errichtet hatten, um von dort aus die Matis-Städte überfallen zu können. Die Kämpfer vieler Länder hatten sich dort gegen sie gestellt und sie aufgerieben. Die von Muang zu Riesenkreaturen veränderten Raubtiere waren dabei wohl die gefährlichsten Gegner gewesen.

Die Stammesführer des schwarzen Kreises jedenfalls hatten den beiden Matis-Damen bestätigt, daß auch ihrer Kenntnisse nach Sapadern genau unter den neu entstandenen Wurzelgeflechten verlaufen würden und die auffälligsten Vorfälle an Kreuzungen solcher Sap-Flüsse aufgetreten hätten. Allerdings hatte der schwarze Kreis - selbstverständlich - rigoros abgestritten, etwas mit der Veränderung der Flora oder Fauna zu tun zu haben. Dafür aber hatten sie seltsamerweise behauptet, daß der Ursprung der Sap-Störung möglicherweise im Knoten der Demenz beim Stamm der Erleuchteten des Goo läge…

Die Weisen faßten den Entschluß, eine weitere Forschungsreise zu veranstalten, die diesen Verdächtigungen nachgehen und freilich auch weitere mögliche Ursachen der Sapstörung prüfen sollte. Dieselbige Expedition fand am Quinteth, den 17. Thermis des 4. Zyklus’ 2553 unter der Leitung des Weisen Gangi Cheng-Ho statt. Die ihn begleitenden Homins, darunter auch meine Wenigkeit, wanderten zunächst zum Runenkreis / zur Sap-Quelle im Knoten der Demenz, die aber von Störungen frei zu sein schien. Im Anschluß darauf befragten einige der Jena-Gläubigen unserer Expeditions-Gruppe die Erleuchteten des Goo (früher “Gooköpfe”), während andere dem Stamm fernblieben, um keine Konflikte auszulösen.

Der befragte Stamm erwies sich als bedauernswert irregeleitet. Die “Erleuchteten des Goo” gewinnen unter der Stammesführerin Gicha Cirinia aus einer Goo-Infektionsquelle, bei der sie sich niedergelassen haben, eine überaus gefährliche Droge, die sie auch weiter verbreiten. Die “Gooköpfe” nehmen sogar so viel von dieser zerstörerischen Substanz zu sich, bis sie tödlich daran erkranken. Sie bestehen in ihren Wahn leider darauf, daß sie durch den so provozierten Tod als höhere Wesen erleuchtet re-inkarnieren würden…

Wie andere Stämme, die wegen ihrer Goo-Manipulationen von den Kamis abgelehnt würden, hatten die “Erleuchteten” die Karavan um Schutz ersucht, und diese gewährten ihn. Wieviel die Karavan von dem Treiben des Stammes genau wußten, warum sie es duldeten, oder ob sie selbst daraus eigene Kenntnisse erwarben, konnte niemand bisher herausfinden. Scheinbar hatten die “Erleuchteten” allerdings nichts mit dem Sapstau zu tun, denn in ihrer Umgebung fanden sich keine Änderungen an Flora oder Fauna; und sie selbst schienen nicht einmal recht zu verstehen, was die Fragenden eigentlich meinten.

Immerhin eine einzelne sinnvolle Information konnten die armen Irren geben: sie hatten sie eine Abnahme der Ergiebigkeit der Sapquelle / des Runenkreises am Hügel festgestellt, und auch das Goo erschien ihnen besonders ruhig. Offenbar hatte der Sap-Stau also noch vor dem Dorf seinen Ursprung, und das sehr offensichtlich unter der Oberfläche der Rinde.

Die Ursache

Als nächstes stieg unsere Expeditionsgruppe also aufgrund der bisherigen Erkenntnisse in die Urwurzeln “Verbotene Quellen” hinab. Auf Anraten Gangi Cheng-Hos suchten wir den dort lebenden, sehr freundlichen Stamm der Unterwasser-Wurzelextrahierer auf. Dessen Stammesführerin Diobus Apocaps erklärte, daß ihr Stamm sap-verunreinigtes Wasser aus den Urwurzeln für Pyr förderte und reinigte. Das bewerkstelligten die fyros-geborenen “Extrahierer” mit der Hilfe von Tryker-Ingenieuren, die sich auch mit Sap auskannten. Die berichteten, daß das Wasser neuerdings mit viel weniger Sap versetzt sei. Weiters erzählten sie, daß im Westen bei den sumpfigen Sapseen dafür nun viel mehr Sap im Wasser enthalten sei, und daß außerdem Kitins dort für Unruhen sorgten.

Tatsächlich fand unsere Forschungsgruppe im besagten Gebiet eines seendurchzogenen Sapsumpfes eine große Zahl Kitins vor. Die riesigen Insekten strömten uns entgegen, aus einem Zugang zu einer noch tiefer gelegenen Urwurzelschicht aus einem Tunnel heraus, welcher offenbar voller Sap war. Um das einsehen zu können, hatte unsere kleine Gruppe an Expeditionsteilnehmern sehr hart mit den Rieseninsekten zu kämpfen, zusätzlich mischten sich noch hungrige Voraxe mitein, sodaß es fast zu einem Fiasko gekommen wäre! Das Ergebnis der Forschungsreise war allerdings vielversprechend. Es sah nämlich so aus, als hätten die Kitins mit dem von ihnen gebohrten Stollen den Sapfluß durchbrochen und hätten danach die angebohrte Sapader verstopft, damit ihre unterirdischen Gänge nicht überflutet würden. Das also war die gesuchte Ursache!

Der Weise Gangi Cheng-Ho meinte dazu, daß die Kamis imstande sein müßten, eine solche Anomalie zu verschließen und vielleicht auch den Kitin-Tunnel als ganzes zu zerstören, damit die Kitins nicht erneut den Sapfluß unterbrechen könnten. Er wollte sich daher zu diesem Zweck mit den Kamis in Verbindung setzen. Die Weisen der Zoraï sind bekannt für ihre tiefe Verbindung zu den Kamis und zum Sap von Atys; es wäre also töricht gewesen, diesen Worten des freundlichen und auch bei anderen Völkern sehr beliebten Cheng-Ho nicht zu trauen. Seinem Konzept folgend wurden Aufrufe an den Anschlagstafeln ausgehängt, die alle kampferfahrenen Homins zusammenriefen, um in geraumer Zeit gemeinsam gegen die Kitins in den Urwurzeln vorzugehen und damit den Kamis den Weg zur Bereinigung des Problems freizumachen.

Während sich immer mehr Homins rüsteten und zum Kampf vorbereiteten, war gemäß des ursprünglichen Planes schon die nächste Baustelle im Tal der Palmen direkt nördlich neben der großen Hand errichtet worden und auch mit den Rohstoffabgaben dafür zügig jeden Abend weitergemacht worden. Schon allzu bald darauf gab es aber leiderweise schon wieder unvorhergesehene Probleme: der Rohstoff-Karawanenführer Jing Polei war auf seinem Weg von Min Cho zur Baustelle im Tal der Palmen mitsamt den reich beladenen Packtieren von Banditen der Dare Doers entführt worden. Eine rasch zusammengestellte Homin-Rettungstruppe konnte Herrn Jing Polei glücklicherweise am Prima, dem 7. Medis des 4. Zyklus’ im AtysJahr 2553 befreien.

Nach diesem Ereignis wurden die Rohstoffannahmen und auch die aktuelle Tafel der Liefermengen nach Hoi Cho transferiert, um einen kürzeren und sichereren Weg zur großen Hand sicherzustellen. Die Entlastungsarbeit der Bohrer bewirkte inzwischen offensichtlich, daß die Veränderungen zu einem Halt kamen und vor allem keine weiteren Horden von Yelks sich ihren Weg aus den Urwurzeln in den Dschungel bahnten. Noch allerdings gingen die ungewöhnlichen Pflanzen nicht zurück. Ehrlich gesagt, war mir das nur recht und ich hoffte, daß sie dem Dschungel auch noch lange erhalten bleiben würden. Immerhin taten diese Wurzeln und hübschen Pflanzen ja niemandem etwas an. Leider aber im Gegensatz dazu die dummen Yelks…

Nach der Fertigstellung dieses zweiten Bohrers wurde wegen der erfolgreichen Ergebnisse ohne Verzug auch noch die dritte Baustelle im Nichts / in der Leere errichtet, ganz in der Nähe des abgebrochenen Astes und nicht weit vom Banditenlager der Villians of the Void.

Bereinigung der Angelegenheit

Als mit großer Anstrengung nach mehreren Tagen zuletzt auch der dritte Bohrer fertiggestellt worden war, wurde festgelegt, am Prima, dem 7. Mystia des 4. Zyklus’ 2553 die unterirdische Ursache der Sap-Störung in Angriff zu nehmen. Eine große Anzahl an kampfestüchtigen Homins, die sich schon auf den Ruf vorbereitet hatte, sammelte sich in Zora. Eine gute Freundin von mir war dabei und konnte mir aus erster Hand davon berichten.

Sie erzählte, daß viele der Homins schon begierig auf den Kampf mit unseren Erzfeinden waren. Sie marschierten mit dem Weisen Gangi Cheng-Ho in ihrer Mitte zügig nach Norden und in die Verbotenen Quellen hinein. Die Raubtiere auf ihrem Weg hatten keine Chance, denn sie waren nur kleine Fische gegen die riesigen Insekten, für welche die Homins an diesem Tage gerüstet waren. Schon bald gelangte die schlagkräftige Truppe bis zum Durchbruchsloch des Kitin-Tunnels. Dort schlug sie sich tapfer durch alle angriffslustigen herausströmenden Kitins und konnte schließlich die unterirdischen Gänge betreten. Der Homin-Schlachtzug bekam es dabei mit so ziemlich allen Kitin-Arten zu tun, die wir kennen, sogar in teils ungewöhnlichen Farben und Größen.

Nachdem die Homins sich auch durch den Kitin-Stollen gekämpft hatten, betraten sie große von den mörderischen Riesen-Insekten besiedelte Hohlräume, die stark an ein Kitin-Nest erinnerten. Die Kämpfer mußten jetzt nur noch einen Bereich um die Verstopfung des Bruchs in der Sapader freiräumen, damit Kamis herbeigerufen werden konnten und gefahrlos die Sapader-Wunde heilen konnten. Die Konfrontation mit den dort wohnhaften Kitins war hart und führte auch zu neuartigen Begegnungen, darunter mit Tunnelbohrer-Kitins und mit einigen besonders riesenhaften sowie auffallend gefärbten Anführer-Kreaturen.

Es erforderte viel Mut, Kraft und Durchhaltevermögen, bis alle Kitins aus der großen Höhle getötet worden waren. Der Weise Gangi Cheng-Ho hatte die große Homintruppe begleitet und nahm nach der erfolgten Säuberung vor dem Tunneleingang meditativ Kontakt mit den Kamis auf. Tatsächlich folgten vier schwarzfellige Kami-Priester seinem Ruf und kamen herbei. Ein einzigartiger Anblick für viele Homins, die so etwas noch nie miterlebt hatten!. Die sonst so friedlich bis naiv wirkenden Kamis nahmen inzwischen den sie beschützenden Homins Position ein, wandten auf Entfernung eine enorm kraftvolle Magie an, heilten damit die Wunde der Sapader und verschlossen den ganzen Stollen-Durchbruch der Kitins.

Die dadurch eingesperrten Homins wurden mit Hilfe der Kamis und Gangi Cheng-Hos aus der Höhle zurück nach Zora gebracht. Nun hofften sie nur noch darauf, daß der Sapstau jetzt abfließen konnte. Als Anzeichen wurde erwartet, daß sich daraufhin die Wurzeln und anderen Pflanzen zurückbilden würden, die für ihr Wachstum einen sapgetränkten Boden brauchten und auf dem Dschungelboden nicht länger gedeihen könnten, wenn die hohe Sap-Konzentration in der Rinde von Atys abnehmen würde. Zur Unterstützung dieser Idee mußten die Bohrer noch eine Zeitlang weiterlaufen, bis man ihren Erfolg beobachten konnte.

Tatsächlich konnten die erleichterten Dschungel-Bewohner in den kommenden Tagen und Wochen beobachten, wie die fremdartige Flora abnahm, bis sie schließlich ganz von der Oberfläche verschwunden war, und sich mit ihr die ungewöhnlichen Tiergruppen ebenso zurückzogen. Jedoch muß ich gestehen, daß ich keineswegs zu denen gehörte, die sich nun beruhigt entspannten. Im Geheimen trauerte stattdessen mein Herz um die wunderschönen Pflanzen, die nun eingegangen waren. Tagelang lief ich durch die Lande und beobachtete, wie sich all das zusätzliche lebendige Grün zurückzog, das leider kein natürlicher Teil des Dschungels bleiben konnte.

Am Quarta, den 16. Frutor des 1. Zyklus’ im AtysJahr 2554, wurde angesichts der erfolgreichen Bereinigung der Sap-Störung eine abschließende Ehrungszeremonie für eine Handvoll fleißiger Homins abgehalten; allerdings leider für nur wenige von den vielen fleißigen Händen, die sich für die verdorrenden Lande eingesetzt hatten. Es waren wohl nicht so viele elektrische Spitzhacken, Meisterinstrumente und geheimnisvolle Schriftrollen vorhanden, die verteilt werden konnten. Immerhin gab es eine offizielle Dankesrede für alle Helfer in dieser Zeit.

Ehren-Tafeln zur Erinnerung an diese wohl einzigartigen Monate, die den Dschungel verändert hatten, wurden zunächst an den drei Bohrern angebracht, in der Wölbung, beim Tal der Palmen und beim abgebrochenen Ast. Aber schon kurze Zeit später wurden die Ehrungen auf die Anschlagstafeln in die Städte übertragen, da die Bohrer mit der Zeit ja nicht mehr benötigt wurden und daher abgebaut wurden. Mit einer gewissen Heimlichkeit folgte eine Zeitlang danach in Jen Lai eine Verteilung der übriggebliebenen Bohrer-Rohstoffe, die nicht verbaut worden waren, an Rohstoffernter, die beim Bohrerbau geholfen hatten.

Wie hätte sich der Dschungel wohl verändert, wenn die Entwicklungen nicht weiter beachtet oder für natürlich befunden worden wären, sodaß unser Volk sich als Bewahrer der Natur um Akzeptanz und Anpassung hätte bemühen müssen? Würden wir heute große Wüstenflecken in den verdorrenden Landen sehen und dazwischen sapreiche wurzelüberwucherte Linien von Grün; eine Landschaft, die alles andere als einem Dschungel ähneln würde? Gelegentlich erinnere ich mich bei Wanderungen in den verdorrenden Landen noch heute an dieser oder jenen Stelle an die ungewöhnlichen Pflanzen oder Tiere, die ich dort gesehen hatte, als der Sap gestaut war. Aber die Erinnerung verblaßt allmählich und ähnelt immer mehr einem Traum.

— eine Zoraï